Dr. Kirsten Maria Limberg – Zeitraum

Zeitraum

Ein Flur, ein Fenster, ein Raum. Kaum erkennbar sind Gegenstände wie Fensterbänke oder Raumteiler, alles ist nur angedeutet. Linien verschwimmen, Farben gehen ineinander über. Natalia Berschin macht mit den Bildern ihrer Serie Zeitraum einen großen Schritt in Richtung Abstraktion und schafft durch Kolorit und Pinselstrich eine warme Atmosphäre, die den dargestellten Räumen innewohnt. Menschen tauchen in der Serie explizit kaum auf und sind doch allgegenwärtig, werden doch Räume von Menschen bewohnt, eingerichtet und personalisiert.
Mit dieser Serie aus den Jahren 2010/2011 tritt Natalia Berschin die Nachfolge der Serie Wasteland an – und auch wenn beide Serien Unterschiede aufweisen, gibt es doch einen thematischen Zusammenhang. Den Ausgangspunkt bildet die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Wird diese in den Wasteland-Bildern noch konkret dargestellt und ist durchaus bedrohlich und erschütternd spürbar, so zeigt Berschin in den Zeitraum-Bildern ganz allgemeine menschliche Thematiken, die sie aus den Folgen von Tschernobyl ableitet. Eine ruhige, stille Atmosphäre und menschliche Gemütszustände wie Einsamkeit und Verlassenheit lassen sich weder zeitlich, noch räumlich verorten. Seit der Mensch existiert, gibt es beides und somit lassen sich die Zeitraum-Bilder völlig losgelöst von historischen Ereignissen wie Tschernobyl – stellvertretend für vom Menschen verursachte Katastrophen – lesen. Die Frau, die im Bild „Zeitraum“ zu sehen ist, scheint fast wie ein Geist durch den leeren Raum zu schweben und man fragt sich, ob sie überhaupt dort ist. Zeitliche Begriffe wie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verlieren ihre Bedeutung ebenso wie geographische Verortungen. Schon der Titel der Serie beinhaltet eine Allgemeingültigkeit, weist er doch lediglich auf ein Zeitintervall hin. Zeit und Raum – damit benennt Natalia Berschin das Thema, das die philosophische Theorie seit jeher beschäftigt und diese Fragestellungen greift sie mit ihrer Serie auf. Zeit und Raum lassen sich nicht voneinander trennen, denn bewegt sich der Mensch in einem Raum, vergeht die Zeit und somit hängt beides notwendigerweise zusammen. Berschin zeigt in ihren Bildern Räume, die überall auf der Welt sein könnten und verleiht der Serie dadurch einen universellen Charakter.

Kirsten Maria Limberg